SOFERN REAL
Video
Legende
HD / Farbe / Sprache: deutsch mit engl. UT
SchauspielerInnen: Hagnot Elischka, Gabriela Hütter, Katrin Krönke, Eva Linder, Patricia Nocon
Idee / Konzept / Kamera / Schnitt: Miriam Bajtala / Verleih: sixpackfilm / Dauer: 30 min.
2015


Ausgangspunkt des Videos SOFERN REAL sind Interviews, die ich mit vier SchauspielerInnen über ihre ganz spezielle Profession geführt habe: Sie stellen für Medizinstudierende in „Erstgesprächen“ psychisch kranke Menschen dar. Dabei bilden im Video fünf reale Personen den Hintergrund ihrer Reise: Die Interviewten erzählen über ihre Begegnungen mit den portraitierten Menschen, über (un)mögliche Aneignungen, sowie über schauspielerische Techniken in die Körper der Anderen zu finden. Ein leeres Haus und eine Performerin spannen einen roten Faden durch den Film: Beide legen sich wie eine narrative Struktur um die Interviews herum an und tun so als ob sie dazugehören.
Im Grenzbereich von Dokumentation und Experiment angesiedelt, bewegen sich die ProtagonistInnen von „SOFERN REAL“ zwischen zeigen, darstellen, 'über etwas sprechen', handeln, erinnern und sein. Diese Zustände sind nie voneinander abgegrenzt, sodass die BetrachterInnen jene Bilder, Interviews, Räume, Offstimmen usw., die sie sehen und hören, in ständigem Austauschen und Abgleichen, „performativ“ in ihre eigenen Sprachen mit übersetzen.

Text: Wilbirg Brainin-Donnenberg
SchauspielerInnen veranschaulichen Zustände und Verhaltensweisen psychisch Kranker für MedizinstudentInnen. Sorgfältige Beobachtungen übersetzen sich in Sprache und Bewegung und schaffen so Bilder um Unverständliches zu verstehen, Unbegreifliches zu begreifen. Vielleicht der einzige Weg um eine verschobene Wirklichkeit zurechtzurücken. Ein mysteriöses Haus ohne Möbel mit weißen Wänden, ein geräumtes Sanatorium? Ein Handtuchhalter aus mattem Aluminium über einem Radiator, Gitterstäbe vor dem Fenster, in jedem Fall ein Ort, der Wirklichkeit anhand der vielen Leerstellen untersucht und in Frage stellt. Die akribische Beschreibung eines Menschen geht weit über die medizinische Kategorisierung hinaus. Ein indifferentes Krankheitsbild wird erkennbar, die SchauspielerInnen schildern es minutiös und machen es auf diese Weise teilweise sichtbar. Die Interaktion mit dem Raum, dem Haus, dem Stuhl wird in filmisch klinischen Bildern und durch die Performance nachvollziehbar, der Widerstand gegen Konventionen manifestiert sich in der Bestimmtheit scheinbar sinnloser Bewegung und der Verzerrung von Sprache. Katatonische Steifheit paralysiert einen Körper, der nicht gehen kann, der sich über das blanke Parkett schiebt und so in Bodennähe Schutz vor den Übergriffen der Distanzlosigkeit sucht. Niemals vor anderen weinen, nur in der sicheren Abgeschlossenheit auf der versperrten Toilette. Die Stimme der Filmemacherin übernimmt die Stimmen der SchauspielerInnen und fokussiert die Aufmerksamkeit neu. Gesagtes erhält ein Echo, ein voice-over, Gesprochenes wird ergänzt oder ersetzt. Dieser doubletalk schafft eine weitere subtile Ebene der veränderten Wahrnehmung, der Interpretation und versuchter Krankheitseinsicht. Miriam Bajtala hat mit SOFERN REAL erneut eine performative Raum-Erkundung geschaffen. Die Dekonstruktion der physischen und psychischen Räume erzeugt atemlose Spannung. Die objektivierten Reflexionen und respektvollen Interventionen der acting Menschen versuchen die non-acting Menschen zu enträtseln. Das Reale bleibt weiterhin so fern.

screenings
- Medienwerkstatt 2015
- Magazin 4, Bregenz
- Videonale 2017
- Duisburger Filmwoche Nr.40, 2016
- Brno 2016, B16 Film Festival
- Trans-Positionen-Festival vonWerkleitz, 2016
- 62. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, Deutschland, 2016
- Diagonale, Festival des Österreichischen Films, Graz, 2016